Beim dem hier geführten Interview handelt es sich um ein Gespräch mit Toni Krahl (Krahl), welches an einem nicht bekannten Datum zwischen 2012 und 2015 von Wolfgang Herzberg (Herzberg) für das Leo Baeck Institut in New York durchgeführt wurde. Das gesamte Interview besteht aus zwölf einzelnen Videos. Es werden verschiedene Ausschnitte des Interviews gezeigt. Die in Klammern gesetzten Timecodes zeigen das Band und die Zeit im ungeschnittenen Interview an.
00:00:01 [V06, 00:20:15] Krahl: 11. Klasse, das war 1968, ich hatte die 11. gerade beendet, Sommerferien, habe noch vorgehabt zu diesem Zeitpunkt, zu Hause auszuziehen. Wollte mit einem Kumpel zusammenziehen, heute nennt man das WG. Wir wollten eben einfach zusammenziehen, haben uns schon eine kleine Wohnung gesucht und dann kam dieser Einmarsch in Prag, in der ČSSR. Und ja, da habe ich eben, wie gesagt, mein Protestpotential ausgelebt und hatte allerdings wirklich keine Vorstellung von dem, was es für Konsequenzen haben könnte. Ich bin nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass man dafür eingesperrt wird. Weiß auch nicht wirklich, wie ich mich verhalten hätte, wenn ich das gewusst hätte. […]
00:01:11 [V07, 00:00:18] Krahl: Das Schlimmste war schon eigentlich, ich bin in den Knast gekommen und habe, ich habe damit nie und nimmer gerechnet. Und es war klar, das Leben war jetzt bis hier. Und ab jetzt geht es anders weiter – muss. Und ich habe dafür keinen Plan gehabt. Also, dieses „Ich such noch ein bisschen und probiere mal was aus“, das war vorbei. [...]
00:01:51 [V06, 00:25:10] Krahl: […] meine Freunde und ich, auch in diesem, dass wir gespürt haben, dass mit unserer Lieblingsmusik nicht gerade zimperlich umgegangen wurde von der DDR-Kulturpolitik aus und mit dem, wie wir ausgesehen haben, das alles drückte einen mehr oder weniger fast automatisch in diese Oppositionsrolle oder diese Widerborstigkeit. Dann gab es noch die entsprechenden Vorbilder aus dem Westen, also jetzt unverständlich Kommune 1 in West-Berlin, die Studentenunruhen in ganz Europa, in West-Europa. Das waren alles Dinge, die wir mitbekommen haben, wo wir, unverständlich das sind deinesgleichen, das sind gleiche Ideale, das sind gleiche Beweggründe, das ist verkrustet alles, also das Establishment in West-Berlin oder in Paris oder in England oder London, ist nicht viel anders als das Establishment hier bei uns in Ost-Berlin. […]
00:03:11 [V04, 00:25:59] Krahl: […] und dann entstamme ich auch einer Generation, jetzt nicht nur vom Geburtsjahr, sondern einer musikalischen Generation, da können wir die Vorbilder in der Rock-Musik nehmen, ob das die Beatles, also jetzt John Lennon oder auch die Stones mit Street Fighting Man und Bob Dylan oder Bruce Springsteen, alles Message-Musik. Alles Musik, nicht in jedem Lied, aber immer wieder auch eine Botschaft zu bringen auf Veränderung in der Welt, auf eine friedliche Welt. Also mehr als nur, ich sage mal, Tralala oder Schlager. Und so ist diese Musikergeneration geprägt, vor allem die, die über Jahre oder Jahrzehnte gewirkt haben. Und das hat also zumindest jetzt bei uns, bei City und bei mir, war das prägend. Wir gehen immer noch daran, auch nicht in jedem Lied, aber immer noch die Hoffnung, ein Lied zu finden, das die Welt verbessern, ohne dass wir so blöd sind, daran zu glauben, dass das wirklich passiert. […]
00:04:35 [V08, 00:41:49] Krahl: Es war schon auch politisch – war es auch schon. Es ging schon los eigentlich mit der Biermann-Ausbürgerung, wo die Funktionäre rumgelaufen sind und von Künstlern eingefordert haben Stellungnahmen. 76 war das. Und da lag die City-Stellungnahme schon da – von Traudel formuliert. Und da habe ich gesagt, wenn das rausgeht, geht die Band krachen. Also ich unterschreibe auf keinen Fall. Und wenn das rausgeht, dass City sich dazu äußert, also jetzt unverständlich, dann verlasse ich die Band und dadurch hat City keine Stellungnahme veröffentlicht. […]
00:05:23 [V06, 00:25:10] […] Krahl: Warum kann das nicht einfach auch nur Spaß machen. Also jetzt auch im Sozialismus, das Leben hätte ja auch Spaß machen können. […]
00:05:29 [V10, 00:13:52] Krahl: Wo ich eigentlich traurig war, wenn du das Wort benutzen willst, oder maßlos enttäuscht, ist, dass die Idee von einem Sozialismus insgesamt, und ich meine nicht nur die DDR, sondern Sowjetunion, Polen, ČSSR, Ungarn, überall, dass die verspielt wurde und diffamiert ist auf lange, lange Zeit. […]
Interview mit Toni Krahl, veröffentlicht in: Jüdische Geschichte[n] in der DDR, <https://ddr.juedische-geschichte-online.net/quelle/source-101> [06.11.2025].